ZWISCHEN ROUTINE UND KATASTROPHE
Der Alltag vor Ort bewegt sich zwischen Improvisation und Präzision: morgens Lagebesprechung, dann Visiten, Operationen, Notaufnahme. „Je nach Projekt gehört auch die Aus- und Weiterbildung von Pflegekräften, Ärztinnen und Ärzten zu den Aufgaben“, beschreibt Eva die Vielfältigkeit. Mal Routine, mal Katastrophe. „Häufig reiht sich ein Notfall an den nächsten.“ Ein Lichtblick sei das erste Lächeln von Schwerverletzten, wenn sie sich langsam erholen.
Kraft gibt ihr vor allem das Team: „Die gemeinsame Anstrengung, Schwer- und Schwerstverletzte zu jeder Tages- oder Nachtzeit bestmöglich zu versorgen. Und auch das gemeinsame Lachen trotz der oft sehr schwierigen Situationen – das sind unbezahlbar wertvolle Momente, die uns verbinden.“
Die Teams sind international, Menschen aus allen Kontinenten kommen hier zusammen. Doch das Rückgrat der Projekte bilden die lokalen Kolleginnen und Kollegen. Sie sind es, die bleiben, wenn internationale Mitarbeitende keinen Zugang zum Land haben oder evakuiert werden müssen. Viele von ihnen leben selbst mitten im Konflikt, sind von Unsicherheit, von Verletzungen in der Familie oder eigener Not betroffen – und stehen doch jeden Tag aufs Neue in den Kliniken, um Patientinnen und Patienten zu versorgen.
Daneben gibt es die kleineren internationalen Teams, die nicht nur zusammenarbeiten, sondern auch Tür an Tür wohnen. „Natürlich kann das herausfordernd sein. Wir haben unterschiedliche Sozialisierungen, unterschiedliche Prägungen.“ Für Eva fühlt sich dieses Leben wie ein Dazwischen an: kein Alltag wie in Deutschland, oft keine Bewegungsfreiheit und wenig Privates außerhalb der Arbeit. „Es ist manchmal nicht nur herausfordernd, sondern auch so viel intensiver. Aber noch viel häufiger ist es so viel erfahrungs- und ereignisreicher, was uns wirklich bereichert.“
Auch die Rahmenbedingungen sind herausfordernd. Nicht nur Stromausfälle gehören zum Alltag – in vielen Einsatzgebieten existiert überhaupt keine verlässliche Stromversorgung. Ärzte ohne Grenzen stellt deshalb, wo immer möglich, Generatoren oder Solaranlagen bereit. Und doch bleiben Stirn- und Taschenlampen unverzichtbar, jederzeit griffbereit für den Notfall. „Licht zu allen Tages- und Nachtzeiten ist keine Selbstverständlichkeit in vielen Regionen der Welt“, sagt Eva. „Und dennoch eine Voraussetzung, um medizinisch tätig zu sein.“