Wenn über Kunduz die Sonne aufgeht, liegt ein eigentümlicher Frieden in der Luft. Der Himmel färbt sich hellblau, die Schatten auf dem staubigen Innenhof des Krankenhauses werden länger. Eva Zettler tritt hinaus, atmet tief ein. Hinter ihr liegt eine anstrengende Nacht: Nach einem Anschlag im Jahr 2021 in Afghanistan, waren mehr als hundert Verletzte eingeliefert worden, sie hat ohne Pause operiert. Jetzt, im Licht des Morgens, wirkt die Welt still. „Ein kurzer Moment der Kraft“, sagt sie leise – und geht zurück in den OP.

Eva ist Chirurgin. Keine, die den sicheren Weg wählt. Immer wieder verlässt sie ihr Krankenhaus in Deutschland, um mit der humanitären Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen dorthin zu gehen, wo andere längst geflohen sind, etwa nach Afghanistan. Orte, an denen Gesundheitsversorgung keine Selbstverständlichkeit ist, wo Kliniken in Trümmern liegen und die Wege zu Krankenhäusern oftmals weit, versperrt oder schlicht zu gefährlich sind.

ETWAS ZURÜCK GEBEN

Den Wunsch nach Verantwortung verspürt Eva zum ersten Mal während eines Aufenthalts in Nepal. Dort hilft sie in einem medizinischen Projekt, zunächst nur am Rande. Doch schnell wird klar: Zuschauen reicht ihr nicht. „Ich hatte das Privileg, in Frieden aufzuwachsen und eine gute Ausbildung zu erhalten. Ich kann diese Ungleichheit nicht auflösen – aber ich kann etwas zurückgeben.“ Ihre Stimme ist dabei sachlich, fast nüchtern. Es geht ihr nicht um Pathos. Es geht um Taten.

Ärzte ohne Grenzen leistet medizinische Nothilfe, wo sie am dringendsten gebraucht wird: in Krisen- und Katastrophengebieten – unabhängig von Herkunft, Religion oder politischer Überzeugung. In einer medizinischen Notlage sind alle Patientinnen und Patienten gleich. Wer für die Organisation arbeitet, verschreibt sich dieser Ethik und den humanitären Prinzipien der Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit. Sie bilden das Fundament jeder Mission.

ZWISCHEN ROUTINE UND KATASTROPHE

Der Alltag vor Ort bewegt sich zwischen Improvisation und Präzision: morgens Lagebesprechung, dann Visiten, Operationen, Notaufnahme. „Je nach Projekt gehört auch die Aus- und Weiterbildung von Pflegekräften, Ärztinnen und Ärzten zu den Aufgaben“, beschreibt Eva die Vielfältigkeit. Mal Routine, mal Katastrophe. „Häufig reiht sich ein Notfall an den nächsten.“ Ein Lichtblick sei das erste Lächeln von Schwerverletzten, wenn sie sich langsam erholen.

Kraft gibt ihr vor allem das Team: „Die gemeinsame Anstrengung, Schwer- und Schwerstverletzte zu jeder Tages- oder Nachtzeit bestmöglich zu versorgen. Und auch das gemeinsame Lachen trotz der oft sehr schwierigen Situationen – das sind unbezahlbar wertvolle Momente, die uns verbinden.“

Die Teams sind international, Menschen aus allen Kontinenten kommen hier zusammen. Doch das Rückgrat der Projekte bilden die lokalen Kolleginnen und Kollegen. Sie sind es, die bleiben, wenn internationale Mitarbeitende keinen Zugang zum Land haben oder evakuiert werden müssen. Viele von ihnen leben selbst mitten im Konflikt, sind von Unsicherheit, von Verletzungen in der Familie oder eigener Not betroffen – und stehen doch jeden Tag aufs Neue in den Kliniken, um Patientinnen und Patienten zu versorgen.

Daneben gibt es die kleineren internationalen Teams, die nicht nur zusammenarbeiten, sondern auch Tür an Tür wohnen. „Natürlich kann das herausfordernd sein. Wir haben unterschiedliche Sozialisierungen, unterschiedliche Prägungen.“ Für Eva fühlt sich dieses Leben wie ein Dazwischen an: kein Alltag wie in Deutschland, oft keine Bewegungsfreiheit und wenig Privates außerhalb der Arbeit. „Es ist manchmal nicht nur herausfordernd, sondern auch so viel intensiver. Aber noch viel häufiger ist es so viel erfahrungs- und ereignisreicher, was uns wirklich bereichert.“

Auch die Rahmenbedingungen sind herausfordernd. Nicht nur Stromausfälle gehören zum Alltag – in vielen Einsatzgebieten existiert überhaupt keine verlässliche Stromversorgung. Ärzte ohne Grenzen stellt deshalb, wo immer möglich, Generatoren oder Solaranlagen bereit. Und doch bleiben Stirn- und Taschenlampen unverzichtbar, jederzeit griffbereit für den Notfall. „Licht zu allen Tages- und Nachtzeiten ist keine Selbstverständlichkeit in vielen Regionen der Welt“, sagt Eva. „Und dennoch eine Voraussetzung, um medizinisch tätig zu sein.“

JEDER EINSATZ WIRKT

Wenn Eva nach Deutschland zurückkehrt, fallen ihr die Unterschiede besonders auf. Supermärkte wirken grell, Krankenhäuser und das Gesundheitssystem zu ökonomisch orientiert. „Manches erscheint mir absurd, vieles ungerecht.“ Der Blick auf die globale Schieflage begleitet sie – ohne Illusionen, aber auch ohne Bitterkeit. „Gerechtigkeit? Die gibt es leider nicht. Aber dennoch ist es wichtig, sich weiter dafür einzusetzen und dafür zu kämpfen.“

Gleichzeitig weiß sie um die eigene körperliche Erschöpfung und die psychische Belastung ihrer Einsätze. „Nach der Rückkehr vermisse ich die hohe Intensität“, bekennt Eva. Die Reflexion hilft, die Erlebnisse einzuordnen. Sie gibt viel und doch empfindet sie es anders. „Ich bekomme mehr zurück, als ich je geben kann. Viele wertvolle Erfahrungen und Auseinandersetzungen – beruflich und persönlich.“

Am Ende bleibt für Eva eine klare Überzeugung, die sie in jedem Einsatz aufs Neue trägt: „Medizinische Versorgung darf kein Luxus sein. Nirgendwo auf der Welt – und für niemanden.“

Wenn über Kunduz die Sonne aufgeht, liegt ein eigentümlicher Frieden in der Luft. Der Himmel färbt sich hellblau, die Schatten auf dem staubigen Innenhof des Krankenhauses werden länger. Eva Zettler tritt hinaus, atmet tief ein. Hinter ihr liegt eine anstrengende Nacht: Nach einem Anschlag im Jahr 2021 in Afghanistan, waren mehr als hundert Verletzte eingeliefert worden, sie hat ohne Pause operiert. Jetzt, im Licht des Morgens, wirkt die Welt still. „Ein kurzer Moment der Kraft“, sagt sie leise – und geht zurück in den OP.

Eva ist Chirurgin. Keine, die den sicheren Weg wählt. Immer wieder verlässt sie ihr Krankenhaus in Deutschland, um mit der humanitären Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen dorthin zu gehen, wo andere längst geflohen sind, etwa nach Afghanistan. Orte, an denen Gesundheitsversorgung keine Selbstverständlichkeit ist, wo Kliniken in Trümmern liegen und die Wege zu Krankenhäusern oftmals weit, versperrt oder schlicht zu gefährlich sind.

ETWAS ZURÜCK GEBEN

Den Wunsch nach Verantwortung verspürt Eva zum ersten Mal während eines Aufenthalts in Nepal. Dort hilft sie in einem medizinischen Projekt, zunächst nur am Rande. Doch schnell wird klar: Zuschauen reicht ihr nicht. „Ich hatte das Privileg, in Frieden aufzuwachsen und eine gute Ausbildung zu erhalten. Ich kann diese Ungleichheit nicht auflösen – aber ich kann etwas zurückgeben.“ Ihre Stimme ist dabei sachlich, fast nüchtern. Es geht ihr nicht um Pathos. Es geht um Taten.

Ärzte ohne Grenzen leistet medizinische Nothilfe, wo sie am dringendsten gebraucht wird: in Krisen- und Katastrophengebieten – unabhängig von Herkunft, Religion oder politischer Überzeugung. In einer medizinischen Notlage sind alle Patientinnen und Patienten gleich. Wer für die Organisation arbeitet, verschreibt sich dieser Ethik und den humanitären Prinzipien der Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit. Sie bilden das Fundament jeder Mission.

ZWISCHEN ROUTINE UND KATASTROPHE

Der Alltag vor Ort bewegt sich zwischen Improvisation und Präzision: morgens Lagebesprechung, dann Visiten, Operationen, Notaufnahme. „Je nach Projekt gehört auch die Aus- und Weiterbildung von Pflegekräften, Ärztinnen und Ärzten zu den Aufgaben“, beschreibt Eva die Vielfältigkeit. Mal Routine, mal Katastrophe. „Häufig reiht sich ein Notfall an den nächsten.“ Ein Lichtblick sei das erste Lächeln von Schwerverletzten, wenn sie sich langsam erholen.

Kraft gibt ihr vor allem das Team: „Die gemeinsame Anstrengung, Schwer- und Schwerstverletzte zu jeder Tages- oder Nachtzeit bestmöglich zu versorgen. Und auch das gemeinsame Lachen trotz der oft sehr schwierigen Situationen – das sind unbezahlbar wertvolle Momente, die uns verbinden.“

Die Teams sind international, Menschen aus allen Kontinenten kommen hier zusammen. Doch das Rückgrat der Projekte bilden die lokalen Kolleginnen und Kollegen. Sie sind es, die bleiben, wenn internationale Mitarbeitende keinen Zugang zum Land haben oder evakuiert werden müssen. Viele von ihnen leben selbst mitten im Konflikt, sind von Unsicherheit, von Verletzungen in der Familie oder eigener Not betroffen – und stehen doch jeden Tag aufs Neue in den Kliniken, um Patientinnen und Patienten zu versorgen.

Daneben gibt es die kleineren internationalen Teams, die nicht nur zusammenarbeiten, sondern auch Tür an Tür wohnen. „Natürlich kann das herausfordernd sein. Wir haben unterschiedliche Sozialisierungen, unterschiedliche Prägungen.“ Für Eva fühlt sich dieses Leben wie ein Dazwischen an: kein Alltag wie in Deutschland, oft keine Bewegungsfreiheit und wenig Privates außerhalb der Arbeit. „Es ist manchmal nicht nur herausfordernd, sondern auch so viel intensiver. Aber noch viel häufiger ist es so viel erfahrungs- und ereignisreicher, was uns wirklich bereichert.“

Auch die Rahmenbedingungen sind herausfordernd. Nicht nur Stromausfälle gehören zum Alltag – in vielen Einsatzgebieten existiert überhaupt keine verlässliche Stromversorgung. Ärzte ohne Grenzen stellt deshalb, wo immer möglich, Generatoren oder Solaranlagen bereit. Und doch bleiben Stirn- und Taschenlampen unverzichtbar, jederzeit griffbereit für den Notfall. „Licht zu allen Tages- und Nachtzeiten ist keine Selbstverständlichkeit in vielen Regionen der Welt“, sagt Eva. „Und dennoch eine Voraussetzung, um medizinisch tätig zu sein.“

JEDER EINSATZ WIRKT

Wenn Eva nach Deutschland zurückkehrt, fallen ihr die Unterschiede besonders auf. Supermärkte wirken grell, Krankenhäuser und das Gesundheitssystem zu ökonomisch orientiert. „Manches erscheint mir absurd, vieles ungerecht.“ Der Blick auf die globale Schieflage begleitet sie – ohne Illusionen, aber auch ohne Bitterkeit. „Gerechtigkeit? Die gibt es leider nicht. Aber dennoch ist es wichtig, sich weiter dafür einzusetzen und dafür zu kämpfen.“

Gleichzeitig weiß sie um die eigene körperliche Erschöpfung und die psychische Belastung ihrer Einsätze. „Nach der Rückkehr vermisse ich die hohe Intensität“, bekennt Eva. Die Reflexion hilft, die Erlebnisse einzuordnen. Sie gibt viel und doch empfindet sie es anders. „Ich bekomme mehr zurück, als ich je geben kann. Viele wertvolle Erfahrungen und Auseinandersetzungen – beruflich und persönlich.“

Am Ende bleibt für Eva eine klare Überzeugung, die sie in jedem Einsatz aufs Neue trägt: „Medizinische Versorgung darf kein Luxus sein. Nirgendwo auf der Welt – und für niemanden.“

WEITERE SPOTLIGHT STORIES